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Der Rosenthaler

Langweilige Architektur gibt es genug

Stadtentwicklung

Libeskind

Er zählt zu den berühmtesten Architekten unserer Zeit. Sein Masterplan für „Ground Zero“ in New York ist die Grundlage für den Wiederaufbau des zerstörten World Trade Centers. Und mit dem Jüdischen Museum in Kreuzberg hat er bereits Berliner Architekturgeschichte geschrieben. Jetzt plant er an der Chausseestraße 43/Ecke Schwartzkopffstraße 1 ein Wohngebäude und erregte damit reichlich Aufmerksamkeit: Daniel Libeskind.

Zick-Zack ist das Mittel der Wahl
Zu seinen bekanntesten Bauwerken gehören vor allem die London Metropolitan University, das Imperial War Museum in Manchester oder das Contemporary Jewish Museum in San Francisco. Die diesen Meisterwerken gemeinsame Formensprache ließe sich vermutlich mit „zickzackförmig“ am treffendsten bezeichnen. Und so bleibt sich Libeskind auch bei seinem aktuellen Berliner Projekt treu: Kein einheitlich-monotoner Block auf der Ecke, sondern geknickt-gefaltete Fassaden, schroffe Vorsprünge, dazu über die Ecken gezogene Fenster und ein zurückgesetztes Dachgeschoss, das spitz in den Himmel ragt. Und dank der speziell für dieses Gebäude in Italien angefertigten und mit Metallpulver beschichteten Tonfliesen „schillert das Gebäude bei unterschiedlichem Lichteinfall in Bronze-, Grün- und sogar Blautönen“, so sein Erbauer.
Kontrapunkt zum BND
Anlässlich der Präsentation des bis Ende 2015 fertigzustellenden Projektes betonte Libeskind: „Jedes Haus sollte einmalig und erinnerbar sein, wenn es denn in die Straße passt.“ Und hier passt es nicht nur – vielmehr wird dem vis-à-vis und kurz vor der Vollendung stehenden Kleihues-Bau für den Bundesnachrichtendienst (BND) ein kleineres, aber ungleich feineres Gebäude als Kontrapunkt gegenübergestellt. Während sowohl die Architekturkritik als auch die subjektiv zu vernehmende Nachbarschaft an dem Gigantismus des BND kein gutes Haar lässt, überschlagen sich selbige mit Lob und Anerkennung für das mit 73 Wohneinheiten geplante Projekt des 67jährigen New Yorkers, der von 1989 bis 2003 im Übrigen in Berlin lebte.
Dass ihm neben der baulichen Qualität der soziale Aspekt ebenso wichtig sei und er nicht nur für Reiche bauen wolle, sollte vor dem Hintergrund zu erwartender Quadratmeterpreise in Höhe von avisierten 15 Euro vielleicht zunächst mal im Raum stehen gelassen werden.
Auf dem derzeit noch brachen Gelände stand die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Wulffersche Eisenfabrik, deren jüdische Eigentümer zur Nazi-Zeit enteignet wurden. Im Rahmen der Restitution nach der Wiedervereinigung wurde das Grundstück an die in England lebenden Erben zurückübertragen. Die haben es jetzt an zwei Privatinvestoren verkauft, wobei der Umstand, dass Libeskind als Architekt für den Neubau ausgesucht wurde, die Entscheidung der Erben deutlich befördert haben soll.
Lückenschluss und „volles Leben“
Auch die südlich davon gelegenen Grundstücke der sogenannten Feuerlandhöfe, auf denen bis zur Wende der VEB Secura u.a. seine Rechenmaschinen herstellte, sollen mittlerweile vom Eigentümer, der Treuhandnachfolgegesellschaft TLG, veräußert worden sein. Mit deren Bebauung würde sich dann eine der letzten durch Krieg und Mauer in diesem Bereich gerissenen Lücken schließen.
Angesichts dieser Perspektive und der nicht nachlassenden Baudynamik links und rechts der nördlichen Chausseestraße prophezeit Libeskind für die Gegend um seinen Bau herum schon in wenigen Jahren „volles Leben“ – hoffentlich zu Recht.

Sascha Wendling

 
 

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